Ein neuer Tag

Wie üblich quäle ich mich aus dem Bett. Knochen sortieren und dann mache ich gleich meine Übungen, damit Kreislauf in Schwung kommt, und ich etwas für meine Fitness machen kann. Das dauert immer so 1 Std. Eine Stunde nach der ich patschnass geschwitzt bin. Und endet immer damit, dass ich mir gleich nen Kaffee aufsetze, nen Toast in den Toaster schiebe, und bevor ich ins Bad husche, um den Schweiß abzuwaschen, lasse ich Sunny unseren Hund wieder rein. Die streunert derweil nämlich immer im Garten rum. Nanu, im Garten ist sie nicht. Hmmm. Mal in allen Zimmern schauen, denn sie hat ja überall ein Bett stehen, vielleicht hat sie sich irgendwo anders hingelegt?

Nein – alle Betten leer.

Und zack – mir reißt es wieder den Boden unter den Füßen weg. Stimmt ja – gestern mussten wir Sunny gehen lassen.

 

Es gibt Menschen die keinerlei Beziehung zu Tieren haben, die kommen da gern mit so schlauen Bemerkungen wie „war doch nur ein Tier, eine Sache!“ Denen möchte ich sagen: Okay, Du hast Dich bewusst dazu entschieden kein Tier zu haben, und hast dich dadurch bewusst zu einer der schönsten Erfahrung und Beziehung, die man machen und haben kann entschieden. Und Sache – naja, das war Deine Entscheidung, also Deine Sache!

Dann gibt es Menschen, die mir etwas nachfühlen können, weil sie selbst ein Tier haben, und das eben nicht nur ein Tier ist. Tatsächlich ist es bei mir so, dass Sunny das einzige Wesen war, das für mich sowas wie ein Freund war, denn sie war immer für mich da.

Bei mir ist das trotzdem nochmal eine Etage höher, ich möchte das jetzt nicht detailliert ausführen, aber ich habe da so eine „komische“ Krankheit kPTBS mit kDIS und da bin ich auf Skills angewiesen. Und Sunny war für mich ein lebender Skill!

 

Sunny hat eine Lücke geschlagen, die nicht aufzufüllen ist. Nicht nur dass ich sie als meine Freundin für immer vermissen werde, eben auch als kostbarster Skill.

 

Was für mich richtig blöde ist: heute muss ich zum Musik machen gehen. Normalerweise ist sowas etwas, worauf ich mich immer riesig freue. Aber jetzt – an so einem schrecklichen Tag, soll ich mich vor die Menschen setzen und gute Laune machen.

Ich bin mir sicher, dass ich mich da durchbeißen werde, aber schön geht anders.

 

Sunny wäre jetzt bald 18 geworden. Für einen Hund also ein beträchtliches Alter. Sie war ja der Hund meiner Frau Petra. Als wir uns kennenlernten, war Sunny kurz vor ihrem 3. Geburtstag. Ich hatte immer belgische Schäferhunde, und habe mich eigentlich immer über kleine Hunde lustig gemacht. Aber Sunny hat mich natürlich sofort um den Finger gewickelt. Sie hat sich von Anfang an voll auf mich fixiert, und wollte immer auf meinen Schoß und da lag sie dann quasi bewegungslos, wenn es sein musste auch stundenlang. Wenn es mir dreckig ging, dann kam sie sofort angelaufen, hat sich an mich geschmiegt, und falls ich sie nicht sofort hochgenommen hab, hat sie so lange meine Füße abgeleckt, und geschubst bis ich sie eben hochgehoben habe. Auf ihren Job als Skill gehe ich hier nicht näher ein.

Sunny ging immer mit meiner Frau zum Reiten und ist da stundenlang durch die Prärie gerannt. In den letzten Jahren ging das nicht mehr, und so kam es, dass Sunny immer mit mir unterwegs war. In den Zeiten, als ich noch Auto fuhr, lag sie immer im Auto, bzw. war überall mit mir dabei.

Im letzten Jahr ging es Sunny immer schlechter. Petra und ich haben aber gesagt, solange sie noch raus will zum Spazieren, und frisst, solange machen wir auch nichts. Sie hat eben noch alles gemacht, zwar alles immer mehr reduziert, aber sie war noch ganz Hund.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag schrie Sunny dann plötzlich vor Schmerzen. Sie ließ sich nur schwer beruhigen. Und auch erst nachdem sie dann zweimal Schmerzmittel bekam, kam sie auch wieder zur Ruhe. Ich habe dann die Nacht neben ihr verbracht und dicke Tränen vergossen. Denn ich wusste es ist jetzt leider so weit. Ohne dass wir darüber reden mussten, stand meine Frau dann am Vormittag auf, und hat gefragt, ob ich es nicht auch für besser finden würde, wenn wir Sunny erlösen. Sie lief in den letzten Tagen nicht mehr richtig, zog ein Bein nach, verlor oft das Gleichgewicht. Seit längerem war sie Blind, und Taub. Aber sie hat immer gekämpft. Auch gestern wollte sie unbedingt nochmal Gassi gehen. Aber das war nichts gutes mehr. Es war schlimm, weil sie sich nur schleppen musste, und offenbar und offensichtlich Schmerzen hatte.

Als wir dann wieder daheim waren, war ich tieftraurig. Ich habe versucht Tränen zu verbergen, weil ich nicht wollte, dass Sunny denkt, dass ich über sie traurig bin. Derweil hat meine Frau die Tierärztin angerufen, damit sie zu uns kommt. Sunny lag in ihrem Bett auf der Terrasse. Ich habe ihr zugeflüstert, dass ich sie nicht verlasse und bei Ihr bleibe. Vermutlich hat sie das nicht mehr gehört, aber ich glaube ganz fest, dass sie es gespürt hat. Sie wurde ruhig. Kein zittern mehr, schon fast, als ob sie schlief.

Kurz bevor die Tierärztin da war, habe ich ihr noch gesagt, dass ich stolz und dankbar bin – für jede einzelne Sekunde die sie mir geschenkt hat. Und dass ich nie vergessen werde, was sie mir alles gutes getan hat, dass ich dankbar bin, dafür dass sie immer für mich da war, auch wenn ich schlecht gelaunt war, oder nur rumgeschimpft habe, sie war immer da!

Dann hat die Tierärztin ihr die erste Spritze gegeben – das ist eine Spritze, die im Prinzip „nur“ eine Narkose macht, also dazu dient, dass Sunny einschläft. Sunny hat sonst immer ein Riesentheater gemacht, wenn die Tierärztin nur in ihre Nähe kam. Diesmal keine Reaktion – auch nicht als sie die Spritze bekam – während ich immer noch ihren Kopfstreichelte und immer wieder geküsst habe.

Ich habe ihr dann noch zugeflüstert, dass sie mit meinen Hunden von früher auf mich warten soll, und ihr eine gute Reise gewünscht. Dann wurde Sunny auf eine andere Decke gelegt, da bekam sie einen Zugang in eine Vene gelegt. Ich habe keine Sekunde aufgehört sie zu Streicheln und ihre schönen Sachen zuzuflüstern. Die Tierärztin hat ihr die zweite und letzte Spritze gegeben. Die dient dazu, dass das Herz aufhört zu schlagen.

Ich habe nicht mehr aufgehört sie zu streicheln und ihr den Kopf zu küssen. Auch als ich gemerkt habe, dass sie nicht mehr atmet. Ich konnte nicht.

 

Dann kam der Moment, wo meine Frau die tote Sunny in der Decke einwickelte und zum Auto der Tierärztin trug. Ich konnte nicht mehr klar denken. Wie ferngesteuert habe ich mein Handy in die Hand genommen. Da waren dann schon Nachrichten, die fragten wegen des Auftrittes heute.

Ich wollte niemandem großartig erklären was passiert war, deswegen habe ich nur meine Profilbilder gelöscht und stattdessen alles auf Schwarz geschaltet.

 

Ich bitte darum, dass ihr mir keine relativierende Nachrichten und oder Kommentare schickt. Mir hat es eine Lücke, ein Loch geschlagen, dass sich nicht mehr füllen lässt. Und trotzdem – ein Tier zu haben ist die beste Erfahrung und Entscheidung, die man treffen kann!